„Il trovatore“ in Braunschweig

Beim Braunschweiger „Burgplatz Open Air“ bezieht Jan Eßingers Lesart des „Troubadour“ das mittelalterliche Ambiente des Umfeldes schön ein. Die Chöre glänzen auch ohne akustische Verstärkung, und die Sänger*innen sorgen besonders gegen Ende für einigen dramatischen Sog.  

Eßinger zeigt in seiner Produktion für das Staatstheater Verdis „Trovatore“ als ein Spiel der gegensätzlichen Charaktere. Für das Kreisrund der Arena vor dem Braunschweiger Löwen-Denkmal hat Marc Weeger den Bühnengrund mit ganz viel Holzschnitt versehen, auf dem drei schräge Drehscheiben gezimmert den Protagonisten wackelige Plattform bieten.

©Joseph Ruben Heicks

Der umfangreich-vertrackten Rahmenhandlung um Herrschaftsranküne, Aufstand und Bürgerkrieg im Spanien des 15. Jahrhunderts tut diese Reduzierung gut, wenngleich damit Verdis politisches Ansinnen in den Hintergrund tritt. Der hatte im Italien des 19. Jahrhundert den Risorgimento unterstützt, und auch im „Trovatore“ könnte sehr wohl und berechtigter Weise der Aspekt des Unabhängigkeitskampfes im Zentrum einer Regiedeutung stehen.

Auf dem Burgplatz bleibt die Politik aber außen vor: So rückt die Dreiecksbeziehung zwischen Leonora, Manrico und Graf Luna in den Fokus. Manrico und Luna sind in ihrer Gegensätzlichkeit vereinte Kontrahenten, denn Natascha Maraval hat dem verfeindeten Bruderpaar gleiche Kostüme geschneidert, die sich in der Farbe komplementär unterscheiden. Ergänzt und potenziert wird das Drama durch die tragische Rolle der Azucena. Und auch hier macht es nachvollziehbar Sinn, dass die Regie auf das Gefühl und die menschliche Diesseitigkeit im Angesicht des nahenden Todes auf dem Scheiterhaufen abzielt.

Denn an dieser Stelle geht auch Verdis Musik in die Tiefe, während zuvor oft die oberflächlichen Effekte der Arien und Chorpassagen überwiegen. Eßinger lässt im Finale die Protagonisten auf der Drehscheibe allein über den nun durch rote Blutbahnen durchbrochenen Holzboden liegen. Der Braunschweiger Löwe ist rot erleuchtet, und auf weißer Wand dahinter rinnt das Blut.

Ein Gegensatz wie Tag und Nacht: Wirkte das Setting bis zur Pause in der strahlenden Sonne uneinheitlich-unfertig in leichter Holzbauweise, taucht die Dunkelheit nach der Unterbrechung die Szenerie in das adäquate Ambiente.

Vor allem der Einbezug des mittelalterlichen Umfeldes überzeugt: Zum Orchesterorgelspiel erleuchtet der angrenzende Dom rot, und der eingekerkerte Troubadour Manrico singt aus der von außen rot angestrahlten Burg Dankwarderode. Kwonsoo Jeon singt die Titelpartie in standfestem, ausdruckstarken Tenor. In den Tiefen gut fundiert und bis in die Höhen sicher intonierend, gerät sein Rollendebüt sehr überzeugend.     

Cristiana Oliveira (Leonora), Kwonsoo Jeon (Manrico); ©Joseph Ruben Heicks

Besonders plastisch und variabel eingesetzt werden die Chöre (Einstudierung Georg Menskes und Johanna Motter), die mal von außen, innen und aus den Zuschauerreihen eingesetzt eine feste Bank und Stütze des Premierenabends darstellen. Matija Meić gibt einen Grafen Luna, der gerade durch die natürliche Darstellung der Wut, Eifersucht und Rachegelüste mit runden, warmen Bariton der Rolle besondere Bösartigkeit verleiht. Leonora wird von Cristiana Oliveira mit eindringlich dramatischen Ausbruch gegeben, während die lyrischen Passagen in zartem Piano überaus nuanciert gelingen.

Cristiana Oliveira (Leonora), ©Joseph Ruben Heicks

Darstellerisch wie gesanglich überzeugt Nora Sourouzian als Azucena mit großem Ausdruck ihres sicher geführten Mezzos. In den weiteren Partien sind Isabel Stüber Malagamba als Ines mit glockenklarem Mezzo und Rainer Mesecke als Ferrando mit dunklem Bass gut besetzt.

Srba Dinić am Pult des Staatsorchesters Braunschweig unterstützt und begleitet das Sänger*innenensemble aufmerksam und präzise. Am Ende begeisterter Applaus für alle Beteiligten.