„Die Nacht vor Weihnachten“ in Frankfurt

Lasst uns froh und munter sein: An der Frankfurter Oper steht Christof Loys fantastische Wiederentdeckung von Rimsky-Korsakows “Nacht vor Weihnachten” wieder auf dem Spielplan.

Das Christentum hat es gut eingerichtet, als es die Geburt Christi, kompliziert hergerechnet vom Todestag des historischen Jesus, auf die Wintersonnenwende legte. Knecht Ruprecht vertrieb die bösen Geister, und das Christkind war der Lichtbringer für die wieder länger werdenden Tage. In vielen Bräuchen sind die alten Dämonen noch präsent, besonders in den Märchen Russlands, wo der Teufel persönlich noch am Heiligen Abend sein Unwesen treibt, freilich am Ende immer der Gefoppte ist. Denn mit dem Allbösen in die Hölle zu fahren, war nie eine erstrebenswerte Aussicht, mochte man sich auch mal vorübergebend weltlichen Vorteil von ihm erbitten.

So wie der brave Schmied Wokula in Gogols Märchen von der “Nacht vor Weihnachten”, die Nikolai Rimsky-Korsakow zu einer fantastischen Oper verarbeitet hat. Passend zur Fabel des in der Ukraine geborenen Dichters, nutzt er dabei alte ukrainische Volkslieder und macht aus der populären Geschichte mit ein bisschen Sphärenharmonie und Chorhymnen noch ein Stück Kosmologie. Da tanzen im Ballett die Gestirne am Himmel und wird die Christgeburt mit der erotischen Vereinigung des heidnischen Frühlingsgotts Owsen und der jungfräulichen Göttin Koljada assoziiert, die damit eine weltliche Variante der jungfräulichen Gottesmutter Maria wird. Schön, wie die entsexualisierte Christsymbolik und die deftige Frühjahrserotik sich so zu einem körperlich-spirituellen Neuaufbruch ergänzen.

Christof Loy hat daraus in der Frankfurter Oper ein intelligentes Volksstück mit kosmologischem Überbau gemacht, das jetzt bei weiterhin ausverkauftem Hause Wiederaufnahme feierte. Allein dass Johannes Leiacker die Bühne als Sternenhimmel im Negativ zeigt, also weiß mit dunkel strahlendem Mond und Sternen, trägt im Wortsinn zur Aufklärung bei. In dieser Nacht vor Weihnachten können wir alles genau sehen, was sonst im Dunkeln geschieht. Etwa dass die merkwürdige alte Solocha als Hexe mit dem Besen aus dem Haus fliegt, nachher aber sehr eindeutig interessierten Besuch zu Hause bekommt: vom Teufel, aber auch von den Dorfhonoratioren Bürgermeister, Diakon und Großbauer Tschub. Die müssen sich jeder vor dem andern in Kohlensäcken verstecken, und so wird der Teufel versehentlich von Wakula abgeschleppt.

© Barbara Aumüller
© Barbara Aumüller

Mit dem Kreuzzeichen kann der ihn aber sofort gefügig machen, und so muss er ihm helfen, bei der Zarin Pantöffelchen zu erwirken, ohne die Tschubs Tochter Oksana ihn nicht heiraten will. Loy lässt die Sänger an Seilen durch die Lüfte fliegen, bei der Zarin in Barockkostüm Menuett tanzen, während Tänzer als Kosaken Salti schlagen und Koljada auf Spitze tanzt.

Und er hat viel Sinn für Humor und menschelnde Details, wenn die Zarin auch erotisches Gefallen an dem kräftigen Schmied findet, eine Anspielung auf die nymphomane Katharina die Große, die auch Rimsky-Korsakow vor Augen hatte. Oder wenn der reiche Tschub sich neugierig über Wakulas Brautgeschenke hermacht. Oksana ist bei Loy übrigens ernstlich besorgt, Wakula durch ihre Koketterie mit den Pantöffelchen verloren zu haben.

Monika Buczkowska-Ward singt sie mit einem passend lyrisch bewegten Sopran, könnte am Ende aber mehr Volumen vertragen, da wird die Partie mit der Besinnung dramatischer. Georgy Vasiliev bringt für den Wakulak den passend gradlinigen Tenor mit. Alle Honoratioren sind ebenso typgerecht besetzt, dazu Enkelejda Shkoza mit Charakteralt als Solocha und Britta Stallmeister als herrlich keifende Nachbarin.

Georgy Vasiliev (Wakula), Monika Buczkowska-Ward (Oksana) © Barbara Aumüller

Alle, auch der Teufel (Andrei Popov), sind am Ende Teil des dörflichen Mikrokosmos im Rahmen des kosmischen Makrokosmos als Bühnenraum. Inclusive der Tänzerinnen und Tänzer, die den Gestirnen und Göttern teils schwebend im Raum, teils als Zottelbär auf Erden Gestalt gaben. Ein wunderbares, vom Chor getragenes Ensemble, das so Rimsky-Korsakows pantheistische überzeugungen im mächtig sich aufbauenden Weihnachtswunder aus Christgeburt und Sonnenrückkehr anstimmt.

© Barbara Aumüller

Takeshi Moriuchi gestaltet das mit dem Museumsorchester wie eine russische Mahler 8., weiß das Hymnische wie das Volkstümliche bestens zu bedienen. Eine musterhafte szenisch-musikalische Interpretation für ein Werk, das man gern öfter in den Spielplänen der Opernhäuser fände.