Feministisch-queeres Operettenwunder: Christian von Götz belebt an der Oper Köln Michael Krasznay-Krausz‘ „Eine Frau von Format“ neu – mit zeitgemäßem Anspruch, frivolem Schwung und Annette Dasch.
Am Ende kommt er, nicht-schwul, im gelben Glitzerkleid von der Pride-Night, und sie, von allem etwas, hat wieder mal Frack mit Zylinder an. Und weil er, der ungarische Diplomat, trotz seiner Länge, den Handelsvertrag von der silistrischen Prinzessin nicht bekommen hat, aber sie, die Diplomatin der Türkei, ihn mit Takt und Raffinesse im richtigen Moment zu erringen vermochte, könnten beide nun ihrem Herzen folgen und ganz altmodisch heiraten, denn in dem Kleid, da mag sie ihn. „Aber wo sollten wir zusammen leben? In Ungarn? In der Türkei? In Sachsen?“

Die ganze fröhlich queere Revue, die Regisseur Christian von Götz aus der wiederentdeckten Operette „Eine Frau von Format“ von Michael Krasznay-Krausz an der Kölner Oper hervorgezaubert hat, bekommt plötzlich noch einen ernsten Moment des Innehaltens. Möge nicht das Theater die einzige Insel bleiben, auf der so freizügig diverses Verhalten möglich ist, gibt Annette Dasch in der Titelrolle zu bedenken. Und sie hat auch eins der zündenden Couplets der Operette, „Liegt im Bereich der Möglichkeit“, entsprechend weitergedichtet: „Wenn wir alle uns verbünden und Verschiedenheit ergründen, dann entsteht Lebendigkeit als allerschönste Möglichkeit!“
Man muss schon sagen, Annette Dasch und ein fabelhaft spielfreudiges Ensemble legen sich hier grandios ins oft ganz schön knapp bemessene Zeug für eine Zeitenwende gerade in der oft so reaktionären k.u.k.-seligen Operette. Wer kann diese patriarchalen Altherrenspiele von Strauß und Lehár eigentlich noch ertragen? Ein Abglanz des alten Wien geistert auch noch durch Krasznay-Krausz‘ Revue, aber schon von ihm karikiert und jetzt durch die Kölner Regie erst recht fesch feministisch-queer aufgepeppt.

Im Gegensatz zu der durchaus anspruchsvollen Version des queer unterlegten „Weißen Rössls“, die Immo Karaman jüngst am Staatstheater Braunschweig gemacht hat, in der der Zauber der Saison mit Rössl-Wirtin en travesti dann in mahnender Absicht von Nazi-Reich und 50er-jahre-Mief erstickt wurde, bleibt in Köln aber das Empowerment bestimmend. Mahnung, ja, aber ebenso wichtig ist Encouragement, ist selbstbewusstes Ausleben der verfassungsgarantierten Diversität. Und das gelingt in Köln mit karnevalesker Feierlaune, aber auch Frechheit höchst ansteckend.
Natürlich tragen ein genderfluid kostümierter Chor mit stickenden Herrn und knackige Revue-Tänzer dazu bei, der flotte Wechsel im Klappen der Logentüren, aber auch die kleinen Umbesetzungen: Kammersängerin Dalia Schaechter gibt nicht die intrigante Baronin, sondern den korrupten Kanzler, während Uwe Tobias Hieronimi mit sattem Bass und vollendeter Haltung ins Salonkleid gestiegen ist. Viel Spaß machen die Dialekte, allen voran Stefan Sevenich als echt Kölscher Bassbuffo, äh Generalkonsul. Und natürlich Richard Glöckner als böhmelnder Leibhusar Pista, der sein Tenorbuffoleid klagt und zwischendurch auch Sächsisch spricht. Er bleibt in beiden Varianten und erst recht aufblühend im Kleid der Dasch der Zaunkönig der Herzen, wie so oft in Operetten, und weiß das charmant zu spielen und zu singen.

Natürlich haben Dialekte ihr Sozialgefälle. Wolfgang Stefan Schwaiger bringt als ungarischer Graf Géza das feine k.u.k.-Wienerisch mit, nicht Hans Mosers Kleine-Leute-Nuscheln, außerdem noch einen gepflegten Bariton fürs Duett mit der Dasch und kann sich auch im Saunatuch sehen lassen. Annette Dasch wiederum spricht die türkische Diplomatin Dschilli Bey im nüchtern-überlegenen Deutsches-Theater-Berlinisch, nicht wie Taxifahrer Fritze Flink. Ihr Bekenntnis zur Freizügigkeit bleibt nicht nur verbal, sie zieht unterm Vorwand des Couplets „Wir wollen tun, als ob wie Freunde wären“ den Grafen erst mal bis auf die Unterhosen aus, bedeckt nachher selbst nur noch mit Händen oder Federn das nackte Dekolletee, und entlockt ihm Shot um Shot erotische Selbstbekenntnisse. Gespielt mit vollendeter Nonchalance, gesungen mit dem passenden Sprechton und dann wieder blühend schönen Soprannoten, einfach eine Frau von Format.

Adam Benzwi macht dem Gürzenich-Orchester entsprechend Dampf, lässt Tango flippen und „My Baby, my Boy“ swingen. Michael Krasznay-Krausz, 1897 aus jüdischer Familie geboren, ab 1923 als Operetten-Komponist erfolgreich, dann von den Nazis nach und nach aus Berlin und Wien vertrieben, 1940 im Budapester Exil gestorben, fasziniert mit eher schlagerhaften, oft diseusenhaften Liedern, die zur Uraufführung der „Frau von Format“ 1927 im Berliner Theater des Westens einst Fritzi Massary interpretierte. Musikalischer Schwung, etwas Sentiment, freche Texte wie „Schwör mir keine Treue“ und beziehungstechnisch moderne Offenheit machen das Werk heute zeitgemäß. In Köln ist eine beispielhaft frische, zuweilen reflektierende, vor allem aber ermutigende Umsetzung gelungen. Hoffentlich gibt es eine Wiederaufnahme und Gastspiele in Berlin!